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Feierstunde zum Volkstrauertag

Pohnsdorf, den 17. 11. 2019

Anlässlich des Volkstrauertages fand am Gedenkstein einer Feierstunde statt. Nach dem Ablegen eines Gesteckes hielten Bürgermeister Marco Lüth und Pastor Dietmar Sprung Ansprachen im Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Mit dem von Hans-Jürgen Meyke auf der Trompete gespielten Stück "Ich hatt' einen Kameraden" wurde der offizielle Teil der Veranstaltung beendet. 

 

Nachfolgend finden Sie die Ansprache von Bürgermeister Lüth im Wortlaut (sie ist auch als PDF-Dokument im Download-Bereich verfügbar).

 

 

 

Liebe Pohnsdorferinnen, liebe Pohnsdorfer, sehr verehrte Gäste, 

 

im Namen der Gemeinde begrüße ich Sie sehr herzlich zu dieser Feierstunde am heutigen Volkstrauertag. 

 

Ich freue mich, dass die Freiwillige Feuerwehr mit dem Gemeindewehrführer Mark Soetbeer angetreten ist. Von der Bodelschwinghkirche ist Pastor Dietmar Sprung zu uns gekommen, um uns seine Gedanken zu diesem Tag mitzuteilen. Nach dem bereits erfolgten Ablegen des Gesteckes und den folgenden beiden Ansprachen wird für uns Jürgen Meyke das Lied „Ich hatt` einen Kameraden“ auf der Trompete spielen. Danach lade ich alle in das Dorfgemeinschaftshaus ein, um die Veranstaltung dort bei Kaffee und Kuchen im Gespräch untereinander ausklingen zu lassen.  Bereits an dieser Stelle sage ich allen, die an der Gestaltung dieser Feierstunde mitwirken, meinen herzlichen Dank für ihr Engagement. 

 

In Reaktion auf den 1. Weltkrieg hat der österreichische Schriftsteller Karl Kraus in seinem 1922 erschienenen Werk „Die letzten Tage der Menschheit“ geschrieben: „Alles was gestern war, wird man vergessen haben. Was heute ist, nicht sehen. Was morgen kommt, nicht fürchten. Man wird vergessen haben, dass man den Krieg verloren, vergessen haben, dass man ihn begonnen, vergessen, dass man ihn geführt hat. Darum wird er nicht aufhören“, soweit Karl Kraus.

 

Er beschrieb damit seine Sorge, dass die Menschen nicht aus ihrer Vergangenheit lernen und keine Konsequenzen ziehen wollen. Es trieb ihn um, dass trotz der schrecklichen Ereignisse des Krieges bereits wieder Stimmen zu vernehmen waren, die auf eine Destabilisierung der Weimarer Republik zielten. Im Laufe der Jahre wurden die Anfeindungen stärker, die Meinungsfreiheit wurde eingeschränkt, Oppositionsparteien verboten und deren Mitglieder verhaftet.  Viele Bereiche der Gesellschaft wurden gleichgeschaltet, daneben wurde unbeirrt auf einen neuen Krieg zur Ausweitung des Lebensraums im Osten zugearbeitet. Dieser Krieg begann vor 80 Jahren am 1. September 1939 um 4.37 Uhr mit dem Sturzkampfbomberangriff auf das polnische Wieluń in der Nähe von Lodz. In den ersten Stunden des Krieges starben von den 16.000 Einwohnern der Stadt bereits 1.200 Personen. 

 

Damit wurden die Befürchtungen von Karl Kraus aufs Grausamste bestätigt. Der 2. Weltkrieg kostete 60 Millionen Menschen das Leben. Soldaten sind während der Kriegshandlungen gefallen, Zivilisten sind durch gezielte und ungezielte Angriffe aus dem Leben gerissen worden. Millionen von Menschen wurde aufgrund ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Herkunft oder aufgrund von Krankheiten ermordet. Durch Flucht und Vertreibung aus ihren Wohnorten sind weiterhin Millionen von Menschen gestorben oder dauerhaft ihrer Heimat beraubt worden.

 

Der heutige Gedenktag soll uns an die Toten und Opfer der Weltkriege aber auch an die Toten und Opfer aller anderen Kriege und Gewaltherrschaften in der Welt erinnern. Im vergangenen Jahr hat eine Arbeitsgruppe die Chronik der Gemeinde Pohnsdorf fertig gestellt. In der Chronik widmen sich einige Kapitel den Auswirkungen der Kriege auf unsere Heimatgemeinde. Als Nachkriegsgeborener kann man nur erahnen, welche Situation damals hier vor Ort herrschte. Männer, die zum Kriegsdienst eingezogen wurden, zerbombte Häuser und Höfe, Kriegsgefangene und Fremdarbeiter sowie nach dem Krieg hunderte von Flüchtlingen in den Dörfern, insbesondere auf der ehemaligen Flakstellung in Pohnsdorf.

 

Nichts erinnert aber so sehr an die Zeit als die Personen, denen es nicht vergönnt war, die Zeit des Krieges zu überleben. Es sind zum Teil Familiennamen, die auch heute noch in unserer Gemeinde präsent sind, es sind Personen, mit denen man verwandt war oder die die Älteren unter uns noch persönlich kannten. Stellvertretend für die während der zwei Weltkriege getöteten 19  Pohnsdorfer erinnere ich an Hans Bock und Hans Prüßing, die mit 21 bzw. 28 Jahren  im Krieg gefallen sind. Aufgrund der Kriegseinwirkungen in der Gemeinde starben der Altbauer Fritz Schmidt 1941 durch die Folgen eines Minenabwurfs und Peter Jöhnk am 03. Mai 1945 also 5 Tage vor Kriegsende durch Tieffliegerbeschuss. Peter Jöhnk war noch ein Kind und erst 10 Jahre alt. 

 

Diese Menschen konnten, wie Millionen andere auch, ihr Leben nicht weiterleben. Sie wurden der Möglichkeit beraubt, eine eigenständige und selbstbestimmte Entwicklung ihres Lebens zu verwirklichen. Ihr Lebenslauf ist zerstört worden. Sie hatten keine Chance den Neuanfang und den Weg der Versöhnung in ein gemeinsames, vereintes Europa mit zugehen. Ein Europa, erstanden aus dem Geist des Widerstands gegen Rassenwahn, Totalitarismus und Gewaltherrschaft, aus dem Geist der Freiheit, der Demokratie und des Rechts.

 

Die Chronik erinnert uns deshalb auch an die doppelte Bedeutung des heutigen Tages: Gedenken und Mahnung.  Ich möchte deshalb auch an dieser Stelle der Arbeitsgruppe für ihre Arbeit aufrichtig danken. 

 

Das Innehalten am heutigen Tag ist umso wichtiger, wenn wir uns vor Augen halten, wie sich uns die Welt, Jahrzehnte nach den Weltkriegen – heute darstellt: Es gibt Kriege in der ganzen Welt. Etwa 30 Stück jetzt in der Stunde, zu der wir uns hier versammeln. In unserer Nähe gibt es Kämpfe in der Ostukraine. In Syrien toben weiterhin Kämpfe und die Situation wird durch geopolitische Entscheidungen beeinflusst. Die Türkei besetzt völkerrechtswidrig ein Teil seines Nachbarlandes, dabei werden Menschen vertrieben und müssen fliehen. Diese Aktion wird durch den öffentlich gezeigten militärischen Gruß auf Fußballplätzen und in Stadien - auch in Deutschland - gutgeheißen. In Bulgarien inszenieren sich Personen mit dem Zeigen des Hitler-Grußes. In Deutschland registrieren wir Bluttaten aus dem rechtsradikalen Milieu mit dem Mord am Kommunalpolitiker Walter Lübke in Kassel und den Anschlägen und Morden im Zusammenhang mit dem Angriff auf eine Synagoge in Halle.

 

Wir dürfen nicht zur Tagesordnung  übergehen. Das Gedenken an die Toten ist für uns auch Mahnung, aus der Vergangenheit Schlüsse für die Gegenwart zu ziehen und danach zu handeln. Wir müssen uns in Wort und Tat gegen islamistische, rechte sowie linke Hetze und Gewalt gegenüber Menschen, Religionsgemeinschaften und Volksgruppen stellen. Wir müssen uns der Verrohung der Sprache und der Gesellschaft entgegenstellen und Widerstand leisten, wenn Minderheiten angegriffen werden. Wir müssen die Errungenschaften der Demokratie und deren Werte, wie die unantastbare Würde des Menschen, die  Freiheit der religiösen und weltanschaulichen Überzeugung, die pluralistische Gesellschaft, sowie auch die politische Mitwirkung und Bürgerverantwortung schützen, verteidigen und übernehmen.

 

All das wird uns jeden Tag wieder vor neue Herausforderungen stellen und es fordert von jedem Selbstbewusstsein und Zivilcourage. Wir müssen uns den lauten und auch den leisen Anfeindungen unseres Systems entgegenstellen. Auch daran erinnert und mahnt uns der Volkstrauertag in seinem Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.

 

Ich schließe mit einem Zitat des Holocaustüberlebenden Elie Wiesel. Dieser sagte am 27. Januar 2000, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus vor dem Deutschen Bundestag: „Wer sich dazu herbeilässt, die Erinnerung an die Opfer zu verdunkeln, der tötet sie ein zweites Mal.“ 

 

Und genau deshalb sind die Bereitschaft zur Erinnerung und die daraus resultierende Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung eine Bürgerpflicht. Nehmen wir diese Pflicht ernst

 

 

Bild zur Meldung: Feierstunde zum Volkstrauertag

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Feierstunde zum Volkstrauertag 2019 (17. 11. 2019)